Werftgeschichten

Morgens um halb acht schrillt die Glocke und die Arbeiten in der Werft beginnen. Die Glocke ist wichtig, schliesslich hat nicht jeder eine Uhr. Direkt neben uns liegt ein grosses, rostiges Frachtschiff vertäut, welches gerade einem Refit unterzogen wird. Eines schönen Morgen beginnen die Arbeiter damit, den Rost vom Stahl zu schlagen. Ein Dutzend Männer hämmern von morgens bis abends. Eine miese Arbeit und ein fieser Lärm, der uns bis zum Schluss begleitet.

Viele arbeiten hart und dies fast ausschliesslich ohne Schutzmaterial. Sie schleifen die hochgiftigen Farben von den Booten – ganz ohne Brille, Maske geschweige den Schutzanzügen. Nur wenn der Regen kommt, dann stieben alle auseinander, als wäre der Gehörnte höchstpersönlich hinter ihnen her.

Und dann gibt es die Auserwählten, die es geschafft haben, eine Schlüsselposition zu bekommen. Es bleibt ein Rätsel, was genau sie eigentlich tun. Meistens flanieren sie über den Platz, halten hier und da einen Schwatz, sitzen im Schatten und telefonieren. Doch benötigt man irgendetwas, sind sie da. Sie kennen jede und jeden und wissen, wo was zu finden ist.

Die Werft wird rund um die Uhr von einem Tor versperrt, welches mit einem bewaffneten Wachmann besetzt ist. Erstaunt stellen wir fest, dass jeder einzelne beim Verlassen der Werft mit einem Metalldetektor durchsucht wird. Zu tief ist wohl der Lohn und zu teuer die Werkzeuge und das Material.

Die Adventszeit beginnt und auch wir beginnen mit unseren Weihnachtsvorbereitungen. Die Kinder basteln Weihnachtsbäume, Sterne und Teelichter. Wir backen Kekse und erleben eine salzige Überraschung – leider haben wir den Zucker mit dem Salz verwechselt. Das Gebäck ist hart an der Grenze der Geniessbarkeit. Die zweite Serie wird deutlich besser. Die Kinder verschenken sie an die Werftarbeiter und erobern damit noch die restlichen Herzen auf dem Platz. Wir schliessen Freundschaft mit vielen. Die Arbeiter spielen mit den Kindern Fussball, scherzen und manch einer bringt ihnen Geschenke vorbei.

Unsere ellenlange to-do-Liste nimmt langsam aber stetig ab. Doch ist es verhext: Je mehr wir angehen, desto genauer schauen wir hin und desto mehr Dinge sehen wir, die auch noch zu tun wären. Dies ist der Stolperstein, über den der eine oder andere fällt, sich in den Bootsarbeiten verheddert und schliesslich gar nie mehr in See sticht. Es kommt der Moment, in dem man es einfach gut sein lassen muss. Gerade als wir an diesem Punkt angelangt sind, sitzt die kleine Dame auf ein Fenster und bricht das Aluscharnier ab. Dass wir das Fenster schliessen können, ist auf See essentiell, wollen wir doch nicht, dass das Schiff vollläuft. Wir raufen uns die Haare – wer kann denn schon Aluminium bearbeiten. Doch dem findigen Patrick und der hilfsbereiten Werft sei Dank, gelingt die Reparatur doch innert nützlicher Frist.

Nach Wochen in der Werft haben wir eine Auszeit von Staub und Boot dringend nötig. Stilecht machen wir eine Reise als Backpacker in das Innere des Landes. Mit dem Bus fahren wir zuerst nach Santa Marta. Dafür durchqueren wir Barranquilla und fahren durch ein Marschland dem Meer entlang. Die Strasse führt durch heftige Wohngegenden, die einen üblen Nachgeschmack hinterlassen.

 Santa Marta ist deutlich kleiner als Cartagena, verfügt auch über eine malerische Altstadt. Wir übernachten in einem gemütlichen Hotel, dass wie eine friedliche Oase mitten in der lebendigen Stadt liegt.

Anschliessend geht es weiter in die Sierra Nevada, die mit bis zu 5’775 Meter hohen Bergen aufwartet. Dort kommen die berüchtigten Fallwinde her, die durch die Gassen Santa Martas pfeifen und uns den Entscheid für Cartagena leicht gemacht haben. In den Sierras übernachten wir auf 1000 Meter über meer in einem wunderschön gelegenen Hotel mitten im Regenwald. Die Vegetation ist üppig, grün, wunderschön – und es wimmelt von Vögeln. Kolibris jagen einander und sogar der Pfau schlägt für seine Damen sein Rad. Und es ist kühl – endlich wieder einmal! UNd sogar der sAmichlaus findet den weg in die kolumbianischen Berge. Wir geniessen die Zeit an diesem schönen Fleckchen Erde.

Zurück in der Werft kommt dann endlich der Tag, an dem das Unterwasserschiff gestrichen ist. Die letzte Nacht verbringen wir in den Gurten des Krans und streichen noch die verbliebenden farblosen stellen. Am Morgen werden wir endlich ins Wasser gelassen.

Das neue Ventil hält und ist dicht. Auch sonst scheint soweit alles gut zu sein und wir verlegen uns wieder in das unruhige Fahrwasser vor die Skyline von Cartagena. NIcht bevor die eine oder andere Abschiedsträne gekullert ist.

Wir sind parat für Panama – der Wind ist es noch nicht. Also verbringen wir hier noch ein schönes Weihnachtsfest (mit der wahrscheinlich üppigsten und gleichzeitig kitschigsten Weihnachtsdeko ever) und einen knalligen Silvester und lauern darauf bald zu den San Blas Inseln zu kommen.  

Ein Gedanke zu „Werftgeschichten“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert