Vor und zurück

Die Achterbahn der Gefühle bleibt uns erhalten. An einem Tag sehen wir schwarz und befürchten noch Monate hier verbringen zu müssen, worauf sich am nächsten Tag die Wolken verziehen, der Himmel sich im reisefreudigsten blau zeigt und die Abreise wieder in wochennähe rückt. Ganz so wie es das Wetter hier am Golf de Lion es zu tun pflegt.  Wenn es nur nicht immer so anstrengend wäre, dieses ewige Auf und Ab.

Wir reservieren für die alte Dame einen Termin beim Kran. Um sie angemessen behandeln zu können, müssen wir sie ein kleines bisschen höherstellen. Da die Dame mit ihren 16 Tonnen kein Fliegengewicht ist, muss sie dafür zum Kran chauffiert, in die Gurte gelegt und so anhoben werden. Eine für alle Beteiligte aufregende Sache – und es fühlt sich schon fast ein bisschen so an, als würde es nun losgehen.

Und ja es regnet, tagelang, in Strömen. Es bilden sich seengleiche Pfützen – einfach unwiderstehlich. Die Kleider und die Schuhe der beiden Lieben wechseln wir folglich nach jedem noch so kleinen Ausgang. Am schönsten ist es ungebremst – ohne Schutzbleche – hindurch zu pflügen.

Ich weiss, Patrick hat es immer gesagt: Kauf Dir neue Joggingschuhe. Leider (und das meine ich wirklich) habe ich nicht auf ihn gehört. Kaum sind wir hier, fällt die Sohle ab und nach rund 13 Jahren ist wirklich Schluss. Zumindest meine Knie sind glücklich. Die Läden sind alle geschlossen, also bleibt nur das Internet. Dort erwartet mich ein bekanntlich beschwerlicher Zugang, viel Geoblocking, nicht kompatible Zahlungsmittel, sowie Ratlosigkeit was die Grösse, das Modell und die Marke betrifft. Kurz: Es gleicht einem Marathon – selten habe ich mich über einen simplen Einkauf dermassen gefreut.

Es war uns gar nicht bewusst, wie sehr uns der Lockdown beschränkt hat. Die Lockerungen fühlen sich an wie Ferien. Es ist herrlich, die Gegend zu erkunden und wir alle geniessen die Ausflüge in die Umgebung sehr. Orte, die sonst von Touristen geflutete sind, treffen wir nahezu menschenleer an – immerhin ein Vorteil, der Corona für uns mit sich bringt.

Endlich ist er da, der Rigger. Plötzlich steht er unter dem Boot und will seine Arbeit umgehend beginnen. Wir sind einerseits froh, sind wir schon angezogen und andererseits, dass wir entgegen unserem Vorhaben am Vorabend nicht noch das restliche Deck gefugt haben. Er arbeitet den ganzen Tag und schafft es, ohne weitere Umstände unseren Mast wieder gerade abzuspannen. Ein weiterer der ganz grossen Steine fällt uns vom Herzen.

Noch immer fehlen auf unserer To-Do-Liste ein paar Häkchen, doch wir kommen voran. Wir erwarten noch einige Materialien, noch einige Arbeiten stehen an und doch unterhalten wir uns nun bereits über ein konkretes Datum, um die Dame – inShallah – schwimmen zu lassen.

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