Shakedown Cruise

In den ersten Tagen im Wasser erschreckt uns jedes Gurgeln und der Blick in die Bilgen wird so selbstverständlich wie der Toilettengang – doch alles bleibt, wie es sein soll.

Die Eltern von Patrick treffen ein und die Kinder wechseln nach einer Sekunde Schüchternheit in die gewohnte liebevolle Umklammerung der Grosseltern.  Die beiden scheinen die Hitze mitgebracht zu haben – es ist so warm wie noch nie. das noch immer einige letzte Handgriffe und Ersatzteile fehlen, verhindert eine erste gemeinsame Probefahrt. Es ist eine schöne Woche, die wir zusammen verbringen und wir sind stolz auf die beiden, wie sie sich gewandt und völlig unkompliziert in unser Bordleben einfügen.

Bevor sie abreisen erledigen wir einen letzten grossen Einkauf. Unser Auto haben einige Tage zuvor meine Schwester und ihr Freund in die Schweiz zurückgefahren. Tatsächlich fühlte es sich an, als würde einer der noch verbleibenden Zöpfe abgeschnitten. Nicht das unser Herz am Auto gehangen hätte, es ist nur eine weitere der vielen abgebrochenen Brücken.

Schlussendlich bleiben wir wetterbedingt noch fast eine weitere Woche im Hafen hängen. Es beruhigt mich, dass es nicht nur uns so geht. Unsere Bootsnachbarn, sehr nette und erfahrene Segler, sind für zwei Wochen angereist und laufen schlussendlich für vier Tage aus dem Hafen aus. ein Schiff ist eben doch kein Camper…

Zu guter Letzt bietet sich uns gar noch eine Impfmöglichkeit. Obwohl wir nicht abgeneigt sind, reisst uns dann doch der Geduldsfaden. Wir können den Gedanken nicht ertragen, dass sich unsere Abreise erneut um Tage wenn nicht Wochen verschieben soll – wir wollen keinen Tag mehr länger als nötig am Port Napoléon verbringen. Ungewollterweise fühlen wir uns dort mittlerweile schon ganz wie Locals.

Als es tatsächlich und wahrlich losgeht, bin ich unglaublich nervös, auch wenn sich unser erstes Ziel nur wenige Meilen ausserhalb des Hafens befindet. Der Shakedown Cruise soll uns in die vorgelagerte Bucht führen, wo wir für unsere erste Nacht ankern wollen. Die Fahrt geht gut, doch das Ankermanöver hat es in sich, da die Ankerwinsch streikt, so, dass wir den Anker nur unter Mühe hinunterlassen können.

Kaum haben wir uns etwas beruhigt, uns eine Cola als Ankertrunk gegönnt und angefangen die völlig neue Situation vorsichtig zu geniessen, steuert ein Boot auf uns zu. Wir sind noch keine zwei Stunden aus dem Hafen und schon steht die erste Kontrolle der Zollbehörde an. Die drei Männer kommen an Bord, während uns das Mutterschiff stets umkreist. Glücklicherweise können wir all ihre Fragen zu ihrer Zufriedenheit beantworten. Ein einigermassen steiler Start, wie wir finden.

Der nächste Tag führt uns zur wunderschönen île de Frioul – direkt vor Marseille, doch an uns bisher völlig unbeachtet vorübergegangen. Interessant wie sich der Fokus verändert, die Calanques kannten wir bisher nur aus der Kletteroptik. Die Fahrt ist etwas unruhig – wir versuchen kurz die Segel zu hissen, doch ist der Wind zu schwach. Die Wellen von der Seite und der Antrieb durch den Motor erzeugen etwas unangenehme Bootsbewegungen.

Die Insel ist schön, weshalb wir den starken Wind der nächsten Tage gern dort aussitzen. Wir entdecken die steilen Klippen, die hübschen Buchten, die Kriegsübrigbleibsel, die sanften Hügel und die vielen, vielen Möwen. Jede einzelne der Möwen scheint ihren eigenen Charakter zu haben, wobei sich die unzähligen verschiedenen Laute kaum einer einzelnen Kehle zuordnen lassen. Für uns ist sie die Möweninsel. Etwas unglücklich ist, dass wir vorerst auf das Badevergnügen verzichten müssen, da kleine Blessuren der Kinder gerade noch kein Salzwasser zulassen.

Das nächste Ziel, die Bucht von La Ciotat, erreichen wir erstmals unter Segeln. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn der Motor ausgeschalten werden kann und die schwere, alte Dame nur allein vom Wind vorwärtsgetragen wird. Wir sind froh, dass es mit dem Segeln nun geklappt hat, ganz vollständig haben wir uns zuvor noch nicht gefühlt. In La Ciotat ankern wir vor der Stadt – und ja die Ankerwinsch funktioniert trotz vorgängiger Bemühungen immer noch nicht richtig – wir bleiben dran.

Wir sitzen beim Abendessen, als Patrick die Kinder fragt: «Ist es nicht komisch, dass wir mitten im Meer sind und rund um uns herum nur Wasser ist?» Sie schauen ihn mit gerunzelten Stirnen verständnislos an, meinen kurz und knapp: «Nein» und wenden sich anderem, interessanterem zu. Wie gern möchte ich die Anpassungsfähigkeit und den Sinn für den Moment aus den Kindertagen wieder haben. Also,  lebe den Moment!

Ein Gedanke zu „Shakedown Cruise“

  1. Liäbi Bärnerfamily!
    Es macht so Spass zum euän Blog zverfolgä und mit eu mitzfieberä. Do chömäd grad alti Gfühl ufä wo üses Schiff is Wasser isch und mir di erstä Törns gwogt händ. Mir wünschäd eu uf jedefall ä unglaublichi Ziit ufäm Wasser und wer weiss, viellicht chrüzäd sich üsri Wäg wieder mol in Port Napoléon oder ufäm Wasser.
    Alläs liäbi und viel Freud!
    Rebecca und Marcel vo dä Fleur (ehemals Saint monday)

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