Martinique ist wieder sehr französisch – vermutlich die bisher französischste Insel. Und für uns steht sie ganz unter dem Stern der Bootspflege und der Hamsterkäufe. Die erste Ankerstelle im Norden der insel in St. Pierre hat es in sich. Der Streifen ankerbarer Tiefe ist nur wenige Meter breit, dann fällt der Meeresgrund unmittelbar auf 20 Meter ab – und es ist voll. Seit unseren Anfängen in Südfrankreich haben wir aber offensichtlich dazu gelernt. Nachdem wir stets als äusserstes Boot geankert haben, finden wir uns plötzlich in der ersten Reihe, noch vor den Katamaranen (mit extra wenig Tiefgang), wieder.
Fort-de-France – die Hauptstadt der Insel – ist die grösste Stadt, die wir seit vielen Monaten sehen. Dort bekommen wir unsere Gelbfieberimpfung, welche wir für Kolumbien und vor allem für Panama benötigen. Wir stocken unsere Schwimmausrüstungen, Sonnenbrillen, Flossen, überhaupt diverse Alltagsgegenstände auf – und besorgen Geburtstagsgeschenke auf Vorrat.

Eine Bucht weiter südlich in Grande Anse gefällt es uns besonders gut. Der Strand an sich ist schon traumhaft. Der kleine Schnorchler staunt nicht schlecht, als bereits bei seinem ersten Schwimmgang wenige Meter vor ihm eine riesenhafte Schildkröte auftaucht. Er kennt keine Furcht und hält geradewegs auf sie zu. Die nervösen Eltern werden schon leicht hektisch als er kurz vorher doch noch abbremst. Wir alle testen unsere neuen Flossen und gehen schnorcheln – und sind allesamt begeistert. Ein grosser Erfolg ist auch der Neoprenanzug für die junge Dame. Jetzt hält es auch sie lange im Wasser, ohne dass sie mit blauen Lippen vor sich hin zittern muss.
Überhaupt habe die beiden in den letzten Wochen riesige Fortschritte im Wasser gemacht. Er liebt die hohen Sprünge und wirft sich bereits vom Baum ins Wasser, also gut zwei Meter tief. Die Schwimmhilfen gehören nun auch im Tiefwasser endgültig der Vergangenheit an. Sie schnorcheln mühelos und tauchen auch einmal ab. Und sie bestehen den von uns auferlegten 10 Meter Schwimmtest – und dürfen nun als Belohnung das Dingi steuern. Es geht meist gut – wenn auch in Schlangenlinie und mit einigen ungewollten Pirouetten.

Entgegen unserer Erwartung einer kurzen, bequemen Nachmittagssegelei wird die Fahrt aus der bucht von Grande Anse nach Le Marin einigermassen harzig. Der sogenannte Diamond Rock und seine Wirbel machen uns das Leben schwer. Erst versuchen wir ihn zu umfahren, doch werden die Wellen irgendwann so hoch und aufgrund der Richtung so unangenehm, dass wir umdrehen. Die Region zwischen dem markanten Felsen und dem Ufer dagegen ist berüchtigt für die wirren Strömungen und Verwirbelungen. Und tatsächlich wird es giftig. Eigentlich ein Hüpfer fordert die Strecke unseren Motor sehr. Wir haben den Wind, die Wellen und den Strom direkt auf die Nase, so dass wir trotz hoher Tourenzahl teilweise nur knapp zwei Knoten vorwärtskommen. Kurz diskutierten wir den Abbruch der Aktion, doch bezweifelen wir, dass es ein andermal besser gehen wird. Immerhin hissen wir dann doch noch einmal die Segel und machen hart am Wind Schlag um Schlag.

In Le Marin – dem Seglerstandort schlechthin – erwarten uns so viele Boote, wie wir sie noch nirgends gesehen haben. Es müssen mehrere hundert, wenn nicht tausende sein. Der Ort ist praktisch, bietet unzählige Bootsausstatter, eine Schiffswerft und billige Supermärkte mit eigenen Dingidocks. Superpraktisch also, aber für uns keine Wohlfühloase, kein Kraftort. Für viele Boote wie auch Segler ist die Bucht die letzte Station der Reise. Viele Boote hängen traurig am Anker und werden nie mehr segeln. mehrere Boote haben bereits aufgegeben, sanken unter oder begaben sich auf ein Riff. Man sieht auch einige segler, deren beste Zeit im Leben ebenfalls der Vergangenheit angehört.



Mit dem Angebot kommen auch die Begehrlichkeiten. Wie gern hätten wir ein grösseres Dingi, eines, das tatsächlich für vier Personen konzipiert ist. Und einen stärkeren Aussenbordmotor statt unserer 2.5 PS-Schnecke wäre ein Traum. Unsere Ankerwinsch macht uns Sorgen, fällt doch während jedem Ankermanöver unzählige Male die Sicherung raus. All diesen schönen Güter steht die Zeit gegenüber, die uns mit jedem Euro, den wir ausgeben, entgeht – und so verzichten wir auf fast alles. Einzig eine neue stärkere Sicherung für die Ankerwinsch gönnen wir uns und mit etwas Einbildung dreht sie sich sogar etwas schneller.
Schon seit Wochen wissen wir um die maroden Zinkanoden an unserem Propeller. Und tatsächlich gelingt es Patrick, diese zu wechseln – neue Flossen, Gewichte und Atemübungen sei Dank. Wir sind sehr erleichtert, hätten wir doch sonst einen Taucher anheuern oder das Schiff gar herausheben müssen. Und dann sind da noch einige Teile im Rigg, die gewechselt gehören. Mit viel Ausdauer, Hartnäckigkeit und Geduld erhalten wir einen Termin beim vielgerühmten Rigger und er macht seine Sache – zwar spät – aber richtig gut. Ein Traum wird wahr: Unser Schiff hat wieder einen geraden Mast.
Wir sind froh, als wir alles erledigt und wieder ausserhalb in Saint Anne den Anker werfen können. Dort verliert sich das seltsame gestrandete Gefühl der Bucht von Le Marin, wo wir uns je länger je mehr an den Port Napoléon zurückversetzt gefühlt haben. Der Strand von Saint Anne ist lang und schön und der Uferweg noch schöner. Dort feiern wir Ostern, färben braune Eier, suchen Schoggihasen – frühmorgens bevor sie schmelzen – und finden die versteckten Eier zwischen den Palmen.


