Goldener Spatz

Unsere Besucher geben sich zu diesen Zeiten die Schoten in die Hand. Gestern haben wir meine Mutter am Flughafen verabschiedet, heute erwarten wir schon Patricks Eltern in der Ankunftshalle. Die Vorfreude ist gross, die Begeisterung, sobald sie da sind, riesig. Sie verwöhnen uns mit vielen feinen Restaurantbesuchen und bescheren uns manch geselligen Abend. Nur leider verfliegen die Tage ungebremst und viel zu schnell. Wir hoffen, dass ihr den Weg zu uns bald wieder findet!

Patrick nutzt die Gelegenheit und mietet sich ein Rennrad. Damit düst er quer über die Insel . DIEse BIETET SICH MIT DEN PERFEKTEN VON DER EU SUBVENTIONIERTEN STRASSEN REGELRECHT AN. OFT WURDE DIE NEUE STRASSE PARALLEL ZUR ALTEN – JEDOCH NOCH BESTENS INTAKTEN – STRASSE GEBAUT. DIE NEUE BENUTZEN DIE AUTOFAHRER, SO DASS DIE ALTE STRASSE DEN FAHRRADFAHRERN ZUR NAHEZU ALLEINIGEN NUTZUNG ZUR VERFÜGUNG STEHT.

Am kältesten und regenreichsten Tag überhaupt machen ich mich auf, das Museo Atlantico zu ertauchen. Nachdem ich mich während der ersten Minuten versichern konnte, dass die Atmung durch den dünnen Schlauch noch immer funktioniert, kann ich den Tauchgang geniessen. Es handelt sich um ein Unterwassermuseum, in welchem der englische Künstler Jason de Caires Taylor verschiedene menschliche Skulpturen AUS BETON arrangiert hat. Einige davon sind ziemlich heftig. vor allem das Flüchtlingsboot, welches mitsamt seinen Passagieren auf dem Meeresgrund liegt, jagt mir kalte Schauer über den Rücken. Die Meeresfauna dagegen ist hinreissend. Die Gartenaale linsen wie die Bobbitwürmer aus dem Meeresboden und ziehen sich wie ein wogender Wald zurück, sobald sich etwas bewegt. Daneben schwebt ein Engelhai vorbei.  

Wir beginnen mit der Proviantierung. Für den Fall der Fälle – man weiss ja nie was die Viren an weltweiten Lockdowns noch bescheren werden – laden wir unser Schiff mit Nahrung für zwei Monate voll. Niemals in unseren ganzen Leben haben wir mehr Vorräte besessen als jetzt. Das Schiff sinkt in die Knie und liegt einen gefühlten Meter tiefer im Wasser. Die schiere Menge an Dingen erschlägt uns fast, so dass wir das Unterfangen auf einige viele Einkäufe aufteilen müssen. Die Beute transportieren wir jeweils mit dem Taxi zum Schiff. Dies ist weitaus günstiger, zuverlässiger und massiv geschwinder als der Lieferservice des Supermarktes.

Die Weihnachtszeit beginnt. Die Kinder sind entzückt, dass der Hirsch den Weg zum Boot findet und auch hier einen Adventskalender hinterlässt. Doch erste Zweifel mischen sich in das Kindergemüt: «Mama jetzt sag schon, ist es wirklich der Hirsch oder bist Du es, die die Geschenke bringt?». Wir backen Güezi und essen sie schneller, als wir sie gebacken haben. Wir machen uns auf die Suche nach dem Samichlaus, wobei die Spanier am 6. Dezember ausschliesslich ihre Verfassung feiern – von einem Samichlaus fehlt hier jede Spur. Immerhin finden wir den Briefkasten des Weihnachtsmannes, dessen Schlitz die dargebotene Kinderzeichnung grosszügig aufnimmt. Und irgend so ein Klaus hat dann doch noch ein Säckchen für die Kinderherzen auf das Boot gelegt. Die Vorweihnachtszeit in kurzen Hosen zu verbringen ist zwar etwas seltsam, doch können wir damit ganz wunderbar leben.

Schliesslich klappt es auch noch mit einem Mietwagen zu erschwinglichen preisen. uns gefällt diese karge, fast menschenfeindliche landschaft. Das farbenspiel der lava und die ungestümen küsten sind fantastisch. wir haben sie lieb gewonnen, die INsel!

Und ja, weshalb sind wir überhaupt noch hier? Das allerletzte Paket ist schuld. Unzählige Male versuchen wir auf alle verschiedene Arten zu ihm vorzudringen, doch bleibt es auf den verschlungenen Pfaden des lokalen UPS-Zulieferers verschollen. Als wir die Information bekommen, dass es auf einer anderen Insel an jemandem mit dem ominösen Namen „Stamp“ ausgeliefert worden ist, verabschieden wir uns innerlich davon. Und eines schönen tages kommt es dann doch noch zur Übergabe – leider sechs Wochen später als erwartet. Nichtsdestotrotz sind wir nun stolze Besitzer eines Patrick-sei-Dank bereits eingebauten Wassermachers. Einzig testen können wir ihn noch nicht, das ölige und mit sonstigen Substanzen verseuchte Hafenwasser schreckt uns ab.

Der Plan war eigentlich ein anderer, gekommen ist es nun so. Und trotzdem: Wir geniessen, was wir bekommen und verzehren uns nicht nach allem was wir gewollt hätten. Was Patrick schon ins Blut übergegangen ist, bin ich noch am üben. Auch die Kinder zitieren bereits: «Nimm lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach» – wobei unser Spatz wohlgemerkt ganz zauberhaft ist.

2 Gedanken zu „Goldener Spatz“

  1. Einmal mehr tauche ich ein in euren bezaubernden Bericht von den Kanaren.
    Ich hatte kürzlich Frau Wolf im Laden -Weihnachtskarten austauschen – und da haben wir uns natürlich auch kurz über eure Reise unterhalten. Ich hoffe ganz fest, dass ihr weiterhin Vieles geniessen könnt und das mit dem Spatz ist doch schon ganz schön weise von den Kindern 😉 Frohe Neujahrsgrüsse aus Oberhofen und ich freu mich schon auf den nächsten Beitrag…
    Angelina Heusser

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