Die Bucht von Cartagena ist ein guter Ort, den Jahreswechsel zu verbringen. Wir liegen mitten im Lichtermeer der Stadt auf dem Deck des Schiffes, stossen an und rundherum knallen die Raketen und Feuerwerke.
Um Schlag zwölf lassen die Kapitäne die Hörner der ganz grossen Schiffe erklingen und eine Menge alter Signalraketen finden ihren Weg in den dunklen Nachthimmel.
Es wird höchste Zeit für neue Gefilde – unser Unterwasserschiff verliert im trüben Wasser der Stadt schon langsam wieder an Glanz. Noch schlimmer sind die unzähligen, winzigen und doch absolut scharfkantigen Müschelchen, die sich sofort an den unbehandelten Stellen wie der Badeleiter und der Ankerkette niederlassen. Es ist Kleinstarbeit, diese mit der Flaschen- und Zahnbürste wieder aus jedem Kettenglied zu pulen.
Wir haben die Wahl zwischen zu wenig und zu viel Wind – es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit die perfekte Kante dazwischen zu erwischen. Der Wind bläst also zünftig und die Wellen sind mächtig – und treffen uns von der Seite. Es ist eine ruppige, eine raue Überfahrt nach Panama. Soweit ok, aber angenehm ist es dieses Mal nicht. Es ist eine komische Ecke hier ganz hinten im karibischen Meer. Das Wasser ist oft sehr unruhig und kabbelig, als wüsste es genau, dass jetzt dann gleich Schluss ist. Wir kommen viel besser voran als gedacht – unser neues Unterwasserschiff rauscht nur so dahin – weshalb wir in der zweiten Nacht nur noch mit einem winzigen Fetzchen segeln, um möglichst wenig Geschwindigkeit zu machen. Unter keinen Umständen wollen wir in dem anspruchsvollen mit Riffen durchzogenen Segelrevier nachts ankommen. Unser Timing ist perfekt und wir erreichen die San Blas (oder Kuna Yala) mit den ersten Sonnenstrahlen und gleiten in die Bucht bei El Porvenir.
Die Kuna Yalas sind die indigenen, die ursprünglich an der Küste Panamas gelebt haben. Vor hunderten von Jahren von den Spaniern vertrieben, haben sie sich auf den 365 zum Teil winzigen Inseln angesiedelt. Heute gehört das Gebiet zwar zu Panama, wird jedoch autonom von den Kuna Yalas verwaltet – es gelten ihre Regeln und Gesetze. Sie sind stolz auf ihre Lebensart und halten grösstenteils daran fest. Sie leben in Familienverbänden und teilweise in Dörfern, jedoch in sehr einfachen Verhältnissen. Sie ernähren sich fast ausschliesslich von Kokosnüssen, Bananen, Fischen und Meeresfrüchten – halt von dem was die Inseln hergeben. Sie verkaufen Kunsthandwerke wie gestickte Bilder, die Molas, und Perlenschmuck. Ihre Fortbewegungsmittel sind selbsthergestellte Einbäume nicht selten ausschliesslich mit Paddel bestückt. Es sind nette, einfach und stolze Menschen, deren Werte sich definitiv von unseren unterscheiden. Den Massentourismus lehnen sie ab. Eine touristische Infrastruktur ist deshalb nahezu inexistent.
Die so ganz andere Kultur der Kuna Yalas und ihre völlig andere Lebensart gibt uns immer wieder zu denken. Insbesondere da sie für einmal nicht der westlichen Art zu leben nacheifern, als ob sie über die vielen Versuchungen des Konsums erhaben sind. Und trotzdem bereitet das Bild des einfachen Einbaums direkt neben den zum Teil riesigen, luxuriösen Katamaranen ein fast körperliches Unbehagen.
Das Meer ist wunderschön – sehr oft von schönster türkisen Farben. Die Inseln sind traumhaft, unvorstellbar malerisch.
Weisse, feine Strände, Palmen und ganz viele Riffe. In den Riffen wimmelt es vor Leben. Eine ganze Batterie farbigster Fische bevölkert den Meeresboden. Wir sehen unzählige Rochen in allen Grössen und Farben – sie gleiten nahezu schwerelos vorbei. Und es gibt auch Haie – auch sie sehen wir. Einige eher klein aber auch ganz grosse Exemplare. Es ist paradiesisch! Ganz ehrlich, so haben wir uns die Karibik eigentlich vorgestellt. Wir sind uns schnell einig, dass dies der bisher schönste und authentischste Ort unserer ganzen Reise ist.
Wir tingeln von Insel zu Insel, treffen immer wieder auf alte und neue Freunde, machen endlich die Feuer am Strand, die wir uns bisher immer nur vorgestellt haben.
Es ist eine schöne Zeit, die wir hier verbringen, wobei das Gebiet zum Segeln doch sehr anspruchsvoll ist. Es gibt unzählige Untiefen und scharfe Riffe, die leider auch nicht immer auf den Karten verzeichnet sind. Die Orientierung ist nicht einfach, weil viele Untiefen über der Wasseroberfläche nicht oder nur in Form von etwas mehr Wellen zu erkennen sind. Unserem umsichtigen und vorsichtigen Skipper sei es gedankt, dass wir unbescholten bleiben. Nicht allen gelingt es so gut. Ein Boot läuft direkt hinter uns auf ein Riff auf und kommt nur mit vereinten Kräften wieder frei – und es bleibt nicht der einzige Zwischenfall.
Wir besuchen ein Dorf der Kunas und fahren mit dem Dinghy tief in den Mangrovenfluss Rio Diabolo hinein. Wir sehen unzählige Vögel, die Kapuzineräffchen schreien und springen wild von Ast zu Ast. Und schliesslich entdecken wir auch noch ein Krokodil. Im Vorfeld war mir mit dem Wissen um die Krokodile, die vom Süsswasser der Flüsse bis weit zu den Inseln hinausschwimmen, nicht wirklich wohl. Doch es ist wie mit vielem Unbekannten: Wir gewöhnen uns daran und ein bisschen Kenntnis der tierischen Gewohnheiten hilft schon sehr.
Der Wind pfeift durch den karibischen Raum und beschert der ganzen Gegend hohe Wellen. Wir nutzen schliesslich ein kurzes Wetterfenster und verlassen nach einigen paradiesischen Wochen die San Blas und segeln weiter westlich ins eigentliche Panama.
Die Bucht von Portobelo ist romantisch und unglaublich üppig. Was sich anhört wie ein Ungeheuer sind die Brüllaffen in den umliegenden Hügeln. Sie beschweren sich lautstark bei jedem heftigen Windstoss, vor einem Regenguss und einfach grundsätzlich ab und zu. Der Ort ist geschichtsträchtig – Kolumbus hat auch in dieser Bucht gelegen. Und mit ihm alles was unter den Freibeutern Rang und Namen hatte. Wurden doch von hier das gesamte Silber und Gold-diebesgut des Kontinents von den Spaniern verladen und ins Mutterland abtransportiert. Die ganz grossen unter den Seefahrern und Piraten haben sich hier getummelt und den Örtlichkeiten ihre Namen hinterlassen.
Panama begeistert uns sehr. Wir hatten das Land als nicht mehr als einen Durchgangsort betrachtet und stossen nun auf eine überraschende Trouvaille. Panama ist sehr überzeugend, ein Juwel.
Der Eingang des Panamakanals wird beidseits von riesigen Wellenbrechern gesäumt – sie sind auch dringend nötig. Die Wellen sind mächtig, wie auch der Wind stark bläst. Wir sind überrascht, dass nur zwei grosse Frachtschiffe aus dem Kanal kommen, ansonsten ist abgesehen von unzähligen vor Anker liegenden Riesenschiffen nichts los. Da tanzte in der Strasse von Gibraltar im Vergleich dazu der Bär. Wir sind froh, als sich das Meer hinter den Wellenbrecher beruhigt. Und richtig erlöst sind wir, als wir das Schiff schadenfrei in der Marina festgezurrt haben. Ein weiterer grosser Meilenstein ist geschafft – auch wenn der eigentliche Kanal noch vor uns liegt.
Liebe Segelcrew!
vorweg vielen 💓 Dank für den spannenden und höchst interessanten mit einmaligen Bildern dokumentierten Bericht!!!
Und es gibt es doch noch; das kleine Paradis auf Erden das den Weltenseglern vorenthalten ist! Outstanding! Schöne Ferien auf Costa Rica!
Hallo ihr Lieben
Wieder einmal wunderschön zu lesen, euer Bericht! Ich gönne es euch von Herzen, dass ihr solche Perlen auf eurer Reise findet! Es sieht einfach nur bezaubernd, malerisch und fast schon ein bisschen unwirklich aus! Gute Weiterreise & ich freue mich schon auf weitere spannende Berichte!