Almerimar mit seinen unzähligen Gewächshäusern, die auf den ersten Blick wie verschneite Berghänge anmuten, lassen wir nach rund drei Wochen hinter uns.
Die nächste Fahrt führt uns in heimatliche Gewässer nach Fuengirola. Ein Ort, den wir im Leben nie besucht hätten, hätten wir nicht die alte Dame dort erstanden. Es war, damals vor zwei Jahren, eine unglaublich nervenaufreibende Angelegenheit während der wir wiederholt Blut geschwitzt hatten – und doch fühlen wir uns nun diesem unschönen Fleckchen Erde verbunden. Es ist ein wenig wie nach Hause kommen.
In der Nacht vor der Ankunft sehe ich während meiner Wache plötzlich Bewegungen im Wasser. Meine Nachtblindheit verhindert, dass ich die Geschöpfe mit Gewissheit identifizieren kann – klar ist, es sind Fische. IMMERHIN HALTE ICH ZWANZIG MINUTEN DURCH, BIS ICH BESCHLIESSE, DASS DIES SKIPPER-SACHE IST. Patrick erhält einen Cholesterol-Stoss als er meine bemüht ruhige Stimme in Kombination mit meinen geweiteten Augen sieht. «Ich glaube, ich sehe Delfine.» Wovor wir Angst haben, sind die Orcas. Seit einiger Zeit kommt es vor der spanischen Küste immer wieder zu sogenannten Interaktionen zwischen Orcas und Segelschiffen. Die Interkation sieht so aus, dass die hübschen wale die Ruder von Schiffen unserer Grösse anknabbern oder sie zumindest ein wenig rumschubsen. Wieso sie dies tun, darüber rätseln die Experten. Wovon wir schon lange gehört hatten, wurde plötzliche sehr real, als wir in Almerimar im Trockendock ein ebensolches beschädigtes Schiff sahen. Deshalb unsere vorerst eher begrenzte Freude über die nächtliche Delfinsichtung.
Die Delfine kommen morgens direkt vor der Hafeneinfahrt von Fuengirola zurück. Dort im hellen Sonnenlicht überwiegt dann die Freude allem anderen.
Wir werten es als netten Willkommensgruss, dass der Hafen auch tatsächlich Platz hat – schliesslich sind wir aus jüngster Vergangenheit anderes gewöhnt. Fuengirola ist im vergangenen Jahr nicht schöner geworden und trotzdem fühlen wir uns dort ungeahnt wohl.
Unsere gerngesehenen Stammgäste, mein Bruder David und seine Christina künden sich zu unserer Freude erneut an. Nachdem wir es bis zu ihren Herbstferien nicht auf die kanarischen Inseln geschafft haben, beweisen sie ihre Flexibilität und erweitern ihren Horizont spontan in Festlandspanien. Dass ihre Gesellschaft wunderbar geigt, durften wir bereits feststellen.
Wir besuchen Malaga – eine wundervolle Stadt! Patrick macht mit David eine Mountainbike Tour ins Hinterland, in die Sierras. Schon seit Tagen haben wir uns gefragt, was sich wohl hinter den Bergen verbirgt. Wir anderen nehmen dafür eine Gondel. Der Wind bringt sie heftig zum Schaukeln – ob sie wohl bei zu viel Wind wirklich nicht fahren würde?
David und Christina verlängern ihren Aufenthalt erfreulicherweise um eine Woche und bleiben uns so noch etwas erhalten. Sie begleiten uns – halt leider auf einem Motorsegler – weiter nach Estepona – ein hübsches, blumenüberhäuftes Städtchen.
Bald ziehen wir weiter in Richtung Gibraltar und können dafür auch wieder einmal die Segel hissen. Leider bläst uns der Wind genau auf die Nase, weshalb wir aufkreuzen und kurzum wieder den direkten Weg unter Motor wählen. Erneut begleiten uns Delfine – schön, dass auch unsere Gäste in deren Genuss kommen dürfen.
Stolz erfüllt uns, als wir schliesslich die markanten Felsen von Gibraltar ausmachen können, wobei wir erst nach einer Weile mit Sicherheit sagen können, wo Europa aufhört und wo Afrika beginnt. Immerhin haben wir es bis an diesen fernen Ort geschafft- so weit, dass sogar Afrika in Sichtweite kommt. Das Weite ist plötzlich so nah. Hier endet das Mittelmeer und der Atlantik beginnt. Es ist ein spezieller Ecken, der mit vielen Emotionen verbunden ist – Enden, Anfängen, Grenzen, Unterschieden, Gegensätze, Etappen.
Ein halbes Duzend riesiger Frachter ankert direkt vor uns. Vorsichtig gleiten wir vorbei und fühlen uns dabei klein wie Ameisen. Stets schielen wir mit einem Auge auf die Schlote, um es ja nicht zu verpassen, sollte einer der Kolosse plötzlich losfahren.
Das AIS zeigt ein Schiff direkt vor uns an, doch können wir nichts erkennen. Ist es ein U-Boot oder vielleicht doch eher eine U-Drohne? Einzig der militärische Zweck scheint klar zu sein. Wir schwimmen über einige Wracks hinweg. Schiffe, die weniger Glück hatten als wir und denen die starke Strömung, die Untiefen und der zeitweise fiese Wind des Düseneffekts der Meerenge zum Verhängnis geworden sind.
Wir umrunden den Europa point und den Affenfelsen, um zum Hafen von La Linea de Conception zu gelangen – dem spanischen Ort vor Gibraltar, welcher aus dem Boden gestampft wurde, um mit allen Mitteln die Ausbreitung des britischen Gibraltars zu verhindern.
Wir sind froh, dass weder der Wind noch die Strömung stärker ist. Auch wenn unser Motor noch etwas mehr zu bieten hätte, sind wir den Felsen schon nahe genug. Wir weichen weiteren ankernden Eisenriesen aus. Der Schiffsverkehr ist stattlich – zum Glück sind wir uns nach der Hochsaison in Frankreich schon einiges gewohnt. Als sich schliesslich auch noch ein Flugzeug direkt über unseren Köpfen in den Himmel erhebt und dabei beinahe an unserem Mast hängen zu bleiben scheint, sind wir doch froh, den Hafen zu erreichen. Es war eine aufregende, umtriebige, vielfältige und emotionale Fahrt.