Eigentlich hatten wir uns den Start unserer Segelreise einfach machen wollen und hatten uns, was die kostenintensiven Hafenaufenthalte anbelangt, für die ersten Wochen finanzielle Narrenfreiheit zugestanden. Es ist jedoch anders gekommen als gedacht. Seit nun mehr einem Monat hat unser Schiff keine Hafenmauer mehr von innen gesehen – irgendwie hat es sich so ergeben und unser Wassertrank wiederspiegelt genau das. Auf der Überfahrt von den Balearen nach Festland Spanien pumpen wir den letzten Wassertropfen aus dem Tank. In den ersten beiden Wochen war unser Wasserverbrauch noch masslos, dann wurden unsere Sparbemühen immer rigoroser. Die Spaghetti jedenfalls wurden mit Meerwasser sogar für meinen Geschmack etwas gar salzig. Eines wurde uns offenbar: Ein Wassermacher ist eine tolle Sache und würde unserer Unabhängigkeit einen gehörigen Schub verpassen.
Wir verlassen Formentera gegen Mittag – und sind gar nicht so unglücklich, den fast schon dekadenten Party Rummel hinter uns zu lassen. Den Rest des Tages und die Nacht können wir unter Segel zurücklegen und kommen gut voran. Die Wellen beruhigen sich dann auch einmal. Erst kurz vor dem Festland nehmen wir die Segel herunter – es ist uns doch zu unsicher, das Verkehrstrennungsgebiet mit flappenden Segeln zu queren und den flotten Fähren und den bulligen Tankern und Containerschiffen im Weg herum zu schaukeln.
Am zweiten Abend wird das Meer mit einem Mal spiegelglatt und die Sonne versinkt als rote Kugel im gläsernen Horizont. Die Nacht bricht an und wir wechseln uns mit den Wachen ab. Mittlerweile kann ich die vielen Sagen um sirenen und sonstige fabelhafte Wesen, die gestandene Seeleute in die Irre locken, gut verstehen. Es ist unheimlich, welch irrwitzigen Streiche die Sinne einem nachts alleine auf Deck spielen. Ich sehe Dinge die nicht sind, ich höre Schreie, Kinderlachen und noch so einiges – und Patrick geht es ebenso.
Wir freuen uns, in den Hafen von Almerimar einzulaufen. Ja, es gibt schon einige Dinge, die nach einem Monat am Anker schön sind: Ein bisschen mehr Wasser als ein paar Tropfen zum Händewaschen verwenden, eine Dusche (die letzte ihrer Art ist doch schon eine geraume Zeit her…), eine Waschmaschine (unser Generator will gerade noch nicht so) und natürlich Einkaufsmöglichkeiten direkt vor der Nase – und zwar ohne, dass sämtliche Begehrlichkeiten zuvor in einem aufwändigen Manöver mit unserem Zwergen Dingi angeschafft werden müssen. Und sind wir ehrlich, am Anker bleibt in den Nächten zumindest ein ganz kleines bisschen eines Auges stets offen, zumindest im Mittelmeer, wo der Wind ohne Weiteres innert kürzester Zeit einmal rundherum drehen kann. Ich brauche drei Nächte, bis ich nicht mehr mit den verschiedensten Befürchtungen einigermassen kopflos aus dem Bett springe und Patrick damit belästige. Gleichzeitig dauert es nur wenige heisse Stunden und schon vermisse ich die Gelegenheit der sofortigen Abkühlung im Meer – dies lassen wir in den verdümpelten Häfen schön bleiben.
Wir entdecken den Mercadona für uns – ein Supermarkt, der das Potenzial zum Liebsten hat. Alle paar Tage sind wir in der herrlichen Kühle zwischen seinen Regalen unterwegs. Erstmals treffen wir auf eine ausladende Fischtheke und stillen all unsere aufgestauten Gelüste – Auch wenn nicht alle von uns mit den verschiedenen Meerestieren gleich gut umgehen können. Erst auf den zweiten, ganz genauen Blick, stellen wir fest, dass die Getiere aus allen Herrenländer herangeschafft werden. Aus ist es mit unserer romantischen Vorstellung des frischen Fischs aus den eigentlich reichhaltigen Fischgründen vor Almerimar.
Und auch wir wollen sie, die Spritze! Wir benötigen dafür drei Gänge zum Impfzentrum und weitere drei Gänge zu verschiedene Gesundheitszentren, ein Haufen wohlgesinnter Menschen und viele Kleine-Kinder-Bonus-Punkte – bis nun auch wir Bill Gates kleine roboterchen in unseren Venen fliessen lassen können😊. So schwer hatten wir uns das Eindringen in das spanische Gesundheitssystem nicht vorgestellt – insbesondere nachdem es in Frankreich so einfach gewesen wäre. in Andalusien haben wir nun auch für die zweite Dosis einen Freipass, doch ob wir dann nicht schon auf den Kanaren sind, steht in den Sternen. Wir lassen uns überraschen, welche bürokratischen Wellen uns sonst dort entgegenbranden werden.
Almerimar bietet fantastische Bedingungen für Bootsarbeiten – jedoch nicht im August. Dann ist nämlich so ziemlich jeder der Rang und Namen hat in den Ferien. So können wir zwar das eine oder andere erledigen, verschieben aber auch Vieles auf die Kanaren. Immerhin werden wir schliesslich mit dem Segelmacher einig. Er wird das fehlende Passatsegel für uns schneidern und nachsenden. Von ihm haben wir gelernt, dass in Spanien Mittag um zwei Uhr ist. Der Abend zieht sich – auch für Kleinkinder – bis weit in die Nacht hinein Und die stillste Uhrzeit überhaupt ist der Morgen. Vor halb neun sieht man so gut wie keine Menschen auf der Strasse – auch keine Erwerbstätigen. Nachdem wir das Prinzip einmal verstanden haben, können wir uns sehr gut mit dem neuen Ablauf arrangieren. Die Kinder lieben die Abendstunden, haben dafür ihre Kindergarten Kompatibilität vorerst eingebüsst.