Jeden Tag ein neues Kleid – das ist das Motto! Zuerst verpassen wir der alten Dame ein Silbergewand, etwas sportlich für die alten Tage. Einen Tag später wird sie blau und zu guter Letzt wechselt sie zweimal ins rote Kleid. Die Farbe wird termingerecht geliefert und auch das Wetter macht uns keinen Strich durch die Rechnung. Das Anitfouling verbreitet einen impertinenten Geruch und nach einem ganzen Schiffsbauch schwindeln uns die Sinne und die Lunge ächzt.
Und mit jedem Tag rückt der Tag der Wahrheit näher. Der Zufall will es, dass wir das Schiff nach genau zwei Jahren und einem Tag nach dem kauf wieder ins Wasser setzen. Die Nervosität, die ich vor Monaten noch beim Gedanken an diesen Moment verspürt habe, ist einer gewissen Gleichgültigkeit mit einer Priese Ungeduld gewichen. Es wird nun wirklich Zeit!
Wir haben uns einen besonderen Termin ausgewählt – so, dass wir das Wochenende im Kran verbringen können, um noch die letzten Arbeiten am sonst unerreichbaren Kiel zu beenden. Deshalb ist der letzte Termin am Samstag und der erste Termin am Montag für uns reserviert.
Es ist ernüchternd, wie das Hirn darauf ausgelegt ist, stets den Fehler zu finden. Kaum ist klar, dass mit den letzten Arbeiten voraussichtlich alles funktionieren wird, beginnt sich mein dumpfes Hirn nach dem nächsten Ungemach umzuschauen – und findet es im Wetter. Doch wir haben glück: Das zuerst angesagte Gewitter und der damit einhergehende Dauerregen, welcher unsere Arbeiten unschön erschwert hätte, löst sich in Luft auf. Sorgen kann sich mein hirn nun nur noch um den einigermassen starken Wind machen, der für Montag angesagt ist.
Als wir das Rattern des Transportwagens näherkommen hören, sind wir doch etwas kribblig. Doch es geht alles gut. Die Männer machen ihre Arbeit besonnen und sorgfältig und schon hängen wir erneut in luftiger Höh’ im Kran. Es kommt uns unglaublich hoch und gefährlich vor. Vielleicht liegt es auch am Asphalt, der uns umgibt, jedenfalls lassen wir die Kinder keine Sekunde aus den Augen.
Mit dem Montag kommt dann die Nervosität bei mir doch noch. Fast alle erzählen von Problemen, die beim Einwassern auftauchen: Wassereinbrüche, Motoren und Lenkungen die nicht funktionieren, kaputte Toiletten, und, und, und. Werden wir wohl ungeschoren davonkommen? Und wie werden wir unser erstes Manöver meistern? Bitte keinen Rums, ich könnte diesen nur als schlechtes Omen werten. Und dann eben noch dieser böige Wind…
Wir stehen um sechs Uhr auf, damit wir um acht auch wirklich parat sind. Die Aufgaben haben wir bereits am Vorabend verteilt. Meine Schwester bewacht die Kinder, ihr Freund wird die Leine an Land in Empfang nehmen und wir beide kümmern uns um den Rest.
Sobald das Schiff im Wasser liegt, kontrollieren wir die Bilgen und die wichtigsten Ventile – alles ist trocken. Der Motor schnurrt wie eine zufriedene Katze, alles scheint gut. Dann plötzlich der leicht nervöse Ton in der Stimme der Hafenarbeiter, mit welcher sie umgehend die Leine zurückverlangen. wir schauen über die Bordwand und befürchten schon das schlimmste. Es dauert seine Zeit, bis wir den unverständlichen Dialekt der Camargue entschlüsseln können und verstehen, dass sich nur die Gurte des Krans mit dem Antifouling verklebt haben.
Sicher und ohne Zwischenfälle erreichen wir unseren Platz im Hafen – und sind erleichtert, etwas ungläubig und ja – glücklich!
Schiff ahoi, wir wünschen euch einen liebgesinnten Wind, ein leckfreies Schiff und eine tolle Zeit auf dem Meer zu viert!