Sie sind uns allen ein Begriff, die Atolle – zumindest in der Theorie. Doch sie in der Realität zu sehen, zu besegeln und zu betreten ist etwas anderes. Die Tuamotos sind ein knapp tausend Meilen langer Steifen bestehend aus unzähligen Atollen. Mitte aus dem Meer ragen diese seltsamen Ringe und gewähren Platz auf einem etwa dreihundert Meter breiten und wenige Meter hohem Band. Die Ringe sind unterschiedlich gross, von sehr klein bis zu 30 Meilen im Durchmesser. Bewachsen sind sie von Palmen, einigen anderen Bäumen, etwas Gras und noch ein paar Büschen. Und auf diesen Bändern leben nun die Menschen, wenn, dann meist dauerhaft.
Wieso Atolle überhaupt existieren und wie sie entstanden sind und weshalb sie genau so aussehen, hat sich uns noch nicht ganz erschlossen. Klar ist, dass es sich um ehemalige Vulkane handelt, deren Flanken von Korallenriffen bewachsen wurden und deren Mitte nach und nach im Meer versunken ist. Jedenfalls beschert uns dies wunderschöne Korallenstrände – zwar rau, doch von unterschiedlichsten und wundersamsten Formen und Strukturen. Wir finden die schönsten Muscheln überhaupt.
Die Atolle haben keinen bis mehrere sogenannten Pässe. Dies sind Öffnungen im Ring, die je nach Tiefe mit dem Schiff durchfahren werden können. Dabei ist es von grösstem Nutzen die Gezeiten zu kennen. Bei Flut fliesst das Wasser mit teilweiser höllischer Strömung in die Atolle hinein und bei Ebbe wieder hinaus. Die Ein- und Ausfahrten müssen wir deshalb gut timen – unter Segel keine einfache Sache. Zu viele Bedingungen spielen mit, die aus einer Rauschefahrt eine Schneckenfahrt und umgekehrt machen können. Bestenfalls schafft man es bei Höchst- oder Tiefstand durch den Pass – und trotzdem ist das Meer dort noch unberechenbar, wirblig und wild.
In den Atollen, insbesondere in den Pässen leben unzählige, zum Teil auch sehr grosse Fische. Haie sind überall. Darunter die harmlosen Ammenhaie und Riff Haie wie die Schwarzspitzenhaie, aber auch die ungemütlicheren Gesellen wie Tiger- und Bullenhaie treiben sich herum. Wir sehen Schwärme der grössten Papageienfische ever, riesige Grooper ziehen vorbei und die Sardinenschwärme sind so gross, dass man sie kaum erfassen kann. Wir gehen Passschnorcheln, lassen uns also von der Gezeit durch die Pässe treiben, so dass man die Unterwasserwelt wie einen Film unter sich vorbeiziehen sehen kann.
Die Delfine begrüssen uns im Pass mit wagemutigen Sprüngen – die sie fast auf unser Deck befördern. Auch als wir mit dem Dingi unterwegs sind, zeigen sie sich ganz in der Nähe. Doch auch wenn wir umgehend ins Wasser springen, sehen wir sie höchstens noch als Schatten verschwinden. Heute haben sie wohl keine Lust zum Spielen.
Das Meer ist deutlich kühler als auf der anderen Seite des Pazifiks. Man kann getrost wieder von einem erfrischenden Bad im kühlen Nass reden – die verwöhnten Kinder beschweren sich. Tagsüber ist es nach wie vor sehr warm, doch nachts – man stelle sich das vor – brauchen wir tatsächlich manchmal wieder eine dünne Decke.
Im Vergleich zu den Marquesas gibt es mehr Touristen, auch das eine oder andere kleine Kreuzfahrtschiff legt an – und trotzdem ist alles noch sehr gemässigt und auch die Unterkünfte sind sehr einfach bis stilvoll.
Neben dem Tourismus bieten die Perlen eine Einkommensquelle. Wir besuchen eine Perlenfarm, mitunter wohl einer der schönsten Arbeitsplätze der Welt. In mühevoller Handarbeit werden dort die Muscheln ausgewählt, vorsichtig geöffnet und mit einer kleinen Kugel versehen. Dann werden die Muscheln aufgereiht und während achtzehn Monate im Wasser gehegt und gepflegt. Mit etwas Glück hat sich bis dahin eine Perle gebildet – eine schwarze wohlgemerkt.
Die Überfahrt von den Tuamotus nach Thaiti beginnt äusserst ruhig. Es hat keine Wellen und gerade soviel Wind, dass das Schiff vorwärtsgetrieben wird. Und um den Tag perfekt zu machen, springt direkt vor unserer Nase ein Wal. Mit unglaublicher Kraft bringt der Buckelwal seinen massigen, mindestens zehn Meter langen Körper immer wieder vollständig aus dem Wasser, vollzieht eine Ganzkörperdrehung und verschwindet prustend im Wasser. Und mit diesem Spektakel macht er uns in dem Moment allesamt zu den glücklichsten Menschen der Welt.
Der zweite Teil der Überfahrt ist dann etwas weniger bezaubernd. Zuerst kommen die hohen Wellen und die Kombination mit dem wenigen Wind lässt die Segel schlagen und flappen und reduziert die Geschwindigkeit aufs Minimum. Es regnet immer wieder in Strömen, der Wind dreht sich in alle Richtungen, es ist grau und verhangen, wie an einem Herbsttag. Die Wellen bleiben hoch, und schütteln uns von der Seite gehörig durch. Irgendwann kommt der Wind zurück, aber wie! Schliesslich schiessen wir mit zu hoher Geschwindigkeit durch die hohen Wellen und die dunkle Nacht.