UND MANCHMAL KOMMT ES ANDERS

Schon seit einigen Tagen geht der Schrecken eines sich nähernden Sturms um. Noch befindet sich das Tief weit aussen im Atlantik, doch kommt er näher und näher. Sofern der Sturm wie üblich nördlich der ABC-Inseln vorbeizieht, kommt es auf Bonaire jeweils zu Winddreher. Dadurch werden die Schiffe an den Boien um 180 Grad gedreht und stranden unter Umständen. Entsprechend wurde verfügt, dass die Boien während eines Sturms verlassen werden müssen. Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum. Somit trifft es sich bestens, dass wir ohnehin nach Curacao weitersegeln wollen.

Wir starten früh am Morgen, so dass wir nach rund achtstündiger Seglerei die Insel Curacao am späten Nachtmittag erreichen. Die Einfahrt in die Lagune Spanish Water ist nicht ohne und empfiehlt sich bei Tageslicht. Es gibt keine Betonnung, die Fahrtrinne ist schmal und die Ufer sind seicht. Und es wimmelt – besonders am frühen Sonntagabend von unzähligen heimkehrenden Spassbooten – es herrscht ein reger Verkehr.

Curacao ist ebenfalls unter holländischen Fittichen, doch hat sich die Insel im Gegensatz zu Bonaire einen autonomen Status verliehen. Die Insel empfängt uns mit einem satten Grün. Wobei auch das Wasser in Spanisch Water mehr grün als blau ist und nicht mehr wirklich zum schnellen Bad einlädt. Wobei auch die rasenden Motorboote, Jetskis und Windsurfer für jeden mutigen Schwimmer eine ernsthafte Gefahr darstellen. Tatsächlich kommt es immer wieder zu üblen Unfällen.

Die Insel gefällt uns. Sie wirkt echter, weniger retortenhaft. Die Menschen – immerhin gut 150’000 – leben und arbeiten hier und es dreht sich nicht alles nur um den Tourismus. Die Hauptstadt Willemstad, wo übrigens auch nahezu alle Menschen der Insel leben – wird zurecht Klein-Amsterdam genannt. Die farbigen Kolonialhäuser und die vielen Grachten erinnern stark an den grossen Bruder.

Und dann eben dieser Sturm. Tatsächlich hat sich das Tief stets weiterentwickelt und ist in der Zwischenzeit zu einem tropischen Sturm herangereift. Soweit so gut, wenn er nur nicht soweit südlich daherkommen würde. Tatsächlich berechnen die Modelle die Zugbahn direkt über uns hinweg. Immerhin entspricht die Stärke noch nicht der eines Hurrikans – und doch ist es unheimlich. Jedenfalls lassen wir richtig viel Ankerkette raus, fahren den Anker gehörig ein und binden alles fest. Wir verstauen möglichst viel, so dass wir dem Wind die geringste Angriffsfläche bieten. Im Fall der Fälle bietet unsere Versicherung keine Deckung, da wir uns gegenwärtig zur falschen Zeit am falschen Ort befinden – dies verleiht der ganzen Angelegenheit noch etwas Würze.

Und trotzdem, soweit sind wir parat. Gespannt harren wir nun dem, was da kommt und warten, dass es beginnt. Doch das Einzige was passiert ist, dass der Wind plötzlich ganz wegbleibt. Wir trauen der Stille nicht, doch gegen Abend kommt dann der übliche Wind zurück und die Show is offensichtlich over. Tatsächlich zog der Sturm unüblicherweise südlich durch und bescherte uns den windstillsten Tag überhaupt. Gut für uns und trotzdem ist dies ein kleiner Schuss vor den Bug. Eigentlich sollten die ABC-Inseln nämlich ausserhalb des Hurrikan Gürtels liegen. Sollten, tun sie aber offensichtlich nicht. Also steht die Entscheidung fest, demnächst weiter südlich und westlich nach Kolumbien zu segeln.

Und dann kommt alles anders. Es erreichen uns schlechte Nachrichten aus der Schweiz (es kommt gut 😊) und innerhalb weniger Tage stossen wir sämtliche Pläne um und entschliessen uns entgegen aller vorherigen Vorhaben zu einem Heimaturlaub. Es gelingt uns, den allerletzten Platz in der Marina zu ergattern, bereiten das Schiff für einige einsamen Wochen vor und sind froh, dass Freunde ein Auge darauf haben.

Ein ablaufender Flaggenschein bringt in den letzten Tagen unser Blut in Wallungen und unsere Nerven zum Flattern. Doch werden wir von einem unglaublich schnellen und wunderbar unbürokratischen schweizerischen Beamten in Begeisterung versetzt.

Und ehe wir uns versehen, sitzen wir etwas überrumpelt und mit einem ganzen Haufen gemischter Gefühle im Flugzeug in Richtung Schweiz.

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