DIE DREITÄGIGE reise VON DEN ÄUSSEREN ANTILLEN ZU DEN ABC-INSELN WIRD ZU UNSERER SCHÖNSTEN überfahrt ÜBERHAUPT. DER WIND KOMMT STETIG MIT 20 KNOTEN AUS DEM RÜCKEN, DIE WELLEN SIND ÜBERSCHAUBAR. DIE BEDINGUNGEN SIND PERFEKT UND DIE STIMMUNG IST GUT. SO HÄTTE SICH ALSO EINE ATLANTIKÜBERFAHRT UNTER NORMALEN UMSTÄNDEN ANGEFÜHLT.
Die Ankunft auf Bonaire ist etwas ungewiss. Wir wissen es gibt genau 42 Boien und eine kleine Marina – ankern ist zum Schutz der wundervollen Unterwasserwelt auf der ganzen Insel verboten. Nun gut – wir gehen davon aus, dass wir früh in der Saison sind und schauen guten Mutes einer freien Boie entgegen. Die Lust spontan einen weiteren Tag anzuhängen und eine Insel weiter zu segeln, hält sich in Grenzen. Also drücken wir uns die Daumen – und werden bitter enttäuscht. Sämtliche Boien sind belegt, da hilft auch ein Kreuzen im Boienfeld nichts. Also bitten wir im Hafen um ein zumindest kurzes Asyl. Der Marinero schaut zweifelnd, betont aber sein Bestes zu tun. Und tatsächlich einige Tage können wir – halt für gutes Geld – dort bleiben.
Wir können unser Glück kaum fassen, als wir aufgrund einer nebenbei fallen gelassenen Bemerkung am nächsten Tag die Boie eines abreisenden Holländers erben können – eine der Besten im ganzen Boienfeld. Unzählige verzweifelte Boote kommen in den nächsten Tagen an, können zum Teil einige Tag in der Marina unterschlüpfen oder müssen flugs weiter nach Curacao segeln. Viele Gerüchte bezüglich der Boienvergabe und den mafiösen Strukturen gehen um. Es wird viel gemunkelt und gemauschelt.
Die Unterwasserwelt von Bonaire ist aber auch unfassbar schön. Das Meer ist blauer als blau und so klar wie nirgends.
Aufgrund des rigorosen Schutzes sind viele verschiedene Arten von Korallen erhalten und werden von unzähligen unterschiedlichen Fischarten bewohnt. Das Schnorcheln wird zu einem farbenfrohen, abwechslungsreichen, überraschenden Rundumerlebnis.
Ein Traum – der vermutlich trotz aller Massnahmen endlich sein wird. Immer wieder erzählen uns Segler von den schockierenden Veränderungen der flora und faune in den letzten zwanzig Jahren. Die Aussichten sind düster.
Die Insel selber ist sehr trocken – es gibt keine Berge, die die Wolken bremsen und zum Regnen zwingen können. Es gibt meterhohe Kakteen, welche praktischerweise zu Zäunen geflochten werden – ein natürlicher Stacheldraht. Auf der Insel wird traditionsgemäss Salz abgebaut, so prägen die riesigen weissen Salzberge das Landschaftsbild im Süden der Insel. Und wir treffen wieder auf die staksigen Flamingos. Nur sind sie hier nicht wie in Frankreich pink, sondern orange. Ob dies etwas mit den Holländer und deren oranie zu tun hat?
Und es gibt ganz viele Esel. In früheren Zeiten als Arbeitstier eingeführt, haben sie sich unkontrolliert vermehrt und bevölkern nun die Insel. Rund 1’200 Esel soll es auf Bonaire geben. 777 davon leben in einem Auffanglager, dessen Besuch jedoch gemischte Gefühle hinterlässt.
Bonaire gehört als einzige der drei ABC-Insel wirklich zu Holland. Entsprechend viele Holländer bevölkern die Insel. Es gibt holländische Supermärkte mit holländischen Produkten. Die vorherrschende Sprache ist Holländisch, doch scheinen die meisten spielend zu Spanisch, Englisch und Papiamentu, einer Mischung aus ganz vielen Sprachen, wechseln zu können. Und die Leute haben ein Faible für die ganz grossen Autos. Der Toyota Hilux steht auf der Liste ganz oben. Es scheint fast so, als würde der ansonsten zur Velo-Liebe verdammte Holländer hier seine sündige Seite ausleben.
Das Zentrum der Hauptstadt Kralendijk besteht aus zwei Strassen, wovon die eine von Motorenfanatikern für ihren allabendlichen Autocorso benutzt wird. Die riesigen, aufgebockten Trucks fahren mit aufheulendem Motor aufreizend langsam ihre Runden. Gefolgt von Motorrädern mit extralanger Hinterachse und solchen mit Feuer im Auspuff, begleitet von absichtlich herbeigeführten Fehlzündungen. Abend für Abend können wir sie auf der Uferstrasse ihre Runden drehen sehen und hören, nur dann wenn wir extra für sie mit einem kühlen Getränk bereit sitzen, lassen sie sich nicht blicken. Unser ebenfalls PS-begeisterter Junge liebt sie verständlicherweise.
Wieder einmal tun wir uns schwer mit unseren Plänen. Wann wollen wir wo sein? Nicht selten sieht der Plan um 9:30 fundamental anders aus, als jener der eine halbe Stunde später entworfen wird. Die Fahrtrichtung nach Westen ist klar, das ist dann aber auch das Einzige. Wir haben die Qual der Wahl und doch gibt es diverse Faktoren wie Reparaturmöglichkeiten, Klimabedingungen, Besuchsmöglichkeiten und nicht zuletzt Lustbarkeiten zu beachten. Wenn es sonst nichts ist…